Vom Umgang mit Blockierern im Unternehmen Oder: Was tun, wenn Tapire in Bäumen schlafen?

Tapire sind faszinierende Tiere – entfernt schweineähnlich, aber näher verwandt mit Pferden und Nashörnern. Sie haben einen kleinen, charmanten Rüssel, ernähren sich vegetarisch und bevölkern die Erde seit über 14 Millionen Jahren.

Mein Tapir-Erlebnis vom Wochenende war allerdings weniger zoologisch als psychologisch: Es entstand im Rahmen des CAS Digital Leadership an der HWZ University of Applied Sciences in Business Administration Zurich. Unser Thema: der Umgang mit Populismus in Unternehmen - als Widerstandskraft gegen digitale Transformation.

Populismus – auch im Unternehmen allgegenwärtig

Wir sprachen darüber, ob es Sinn macht, mit Menschen zu diskutieren, die völlig resistent gegenüber Fakten sind. Beispiele gefällig? „Putin will doch nur Frieden.“ „5G macht uns alle krank.“ „Der Klimawandel ist erfunden.“ „KI soll die Menschen versklaven.“

Und diese Mechanismen finden wir auch in Unternehmen – nur mit anderen Parolen:

„Homeoffice macht alle faul.“ „KI ist gefährlich und nutzlos.“ „Wir haben keine Chance gegen die Grossen.“ „Die Chefs reden von Kultur, meinen aber Kontrolle.“ „In diesem Unternehmen wird sowieso nichts entschieden.“

Es gibt aber auch die Promptokratur, also den Glauben, das die komplexe Welt (etwa komplizierte IT-Projekte) sich durch geschickte Prompts einfach lösen liesse. So wie Alexander der Große den unlösbaren "Gordischen Knoten" einfach mit dem Schwert durchhackte.

Funktional sind das dieselben Muster wie im politischen Populismus:

  • Emotionale Vereinfachung („Früher war alles besser“ "Stell dich nicht so kompliziert an")

  • Feindbildbildung („die da oben / die anderen / die Technik“)

  • Entlastung durch Generalisierung („Man kann ja sowieso nichts machen“ "Du musst nur richtig prompten")

Sie schaffen kurzfristig Orientierung – aber zerstören langfristig Vertrauen und Handlungsspielraum.

Organisationale Mythen – soziale Funktion, gefährliche Wirkung

Diese Narrative wirken wie kleine „organisatorische Verschwörungstheorien“. Kurzfristig stabilisieren sie Teams durch ein gemeinsames Dagegensein:

  • Sie stiften Gemeinschaft („wir gegen die da oben“),

  • sie entlasten emotional in komplexen Veränderungsprozessen,

  • sie schützen den Selbstwert („ich bin nicht schuld – das System ist falsch“).

Langfristig aber polarisieren sie das Klima, lähmen Entscheidungsfähigkeit und erzeugen genau die Blockade, die sie beklagen.

Wie also umgehen – mit Populismus, privat wie beruflich?

Ob in Politik, Unternehmen oder Familie: Die Gegenstrategie ist immer dieselbe. Es geht um fünf Prinzipien, die Reaktanz auflösen und Vertrauen aufbauen:

Die 5 Prinzipien im Umgang mit Populismus

1️⃣ Nicht korrigieren. Widerspruch stabilisiert das Weltbild – und verstärkt Polarisierung.

2️⃣ Nicht spiegeln. Kein Spott, keine Empörung – das schafft Ruhe und entzieht die Bühne.

3️⃣ Interesse zeigen. „Spannend – woher kommt das Bild?“ statt „Das stimmt nicht.“

4️⃣ Ruhig zurück zur Realität führen. Sachlich einordnen, nicht emotional reagieren – das stabilisiert das Umfeld.

5️⃣ Für Umstehende Haltung zeigen. Nicht gegen, sondern für etwas sprechen. Du redest nicht mit den Populist:innen, sondern mit den Vernünftigen, die zuhören.

Druck erzeugt Gegendruck. Wer moralisiert, provoziert Widerstand. Wer ruhig erklärt, ernst nimmt und Verantwortung teilt, schafft Offenheit – nicht Abwehr.

Der Anteil der „Blockierer“

Die stark anti-institutionelle Gruppe ist in Unternehmen selten grösser als 10 bis 15 %. Die kooperationsfähige Mitte umfasst dagegen 60 bis 65 % der Mitarbeitenden.

Diese Gruppe will verstehen, sucht Orientierung und Dialog. Je ruhiger und transparenter kommuniziert wird, desto grösser die Chance, diese Mitte für Veränderung und Transformation zu gewinnen.

Beispiel: Einführung von KI

Ein mittelgrosses Unternehmen führt KI-gestützte Tools in Vertrieb und Administration ein. Die Ziele: Effizienz, Qualität, Innovationsfähigkeit.

Wahrnehmung der Mitarbeitenden:

  • Hohe Komplexität

  • Unklarer Nutzen

  • Angst vor Arbeitsplatzverlust

  • Kommunikation sachlich, aber distanziert

Das Ergebnis: Unsicherheit, Misstrauen, Gerüchte. In dieser Phase entstehen vereinfachte Erzählungen:

„KI wird uns alle ersetzen.“ „Das ist wieder so ein Management-Hype.“ „Wir werden damit überwacht.“

Solche Aussagen sind rein atmosphärisch. Fakten wirken hier nicht – sie verstärken nur den Widerstand. Spielen wir es also einmal durch, wie könnten Digital Leader auf diese Verschwörungen reagieren.

Ein Beispiel aus einem Forum zur KI-Einführung:

Populist: „Diese ganze KI-Geschichte ist doch nur dazu da, uns zu überwachen. Bald wissen die da oben jeden Klick!“

Führungskraft (L):

1️⃣ Nicht korrigieren: „Ich verstehe, dass das so wirken kann.“

2️⃣ Nicht spiegeln: „Das ist ein wichtiges Thema – lassen Sie uns kurz anschauen, warum das so empfunden wird.“

3️⃣ Interesse zeigen: „Was löst bei Ihnen diesen Eindruck aus? Gab es ein konkretes Beispiel?“

4️⃣ Ruhig zurück zur Realität führen: „Tatsächlich speichert die KI nur Projektdaten, um Routinen zu erkennen – nicht, um Personen zu bewerten. Wir prüfen das gemeinsam, Schritt für Schritt.“

5️⃣ Für Umstehende Haltung zeigen: „Mir ist wichtig, dass wir mit der Technologie verantwortungsvoll umgehen – sie soll uns entlasten, nicht kontrollieren.“

Das Ergebnis: Der Populist bekommt keine Bühne, das Team spürt Ruhe, Orientierung und Dialogbereitschaft – und genau das gewinnt Vertrauen.

Der Tapir im Storchennest

Eine Teilnehmerin erzählte von einem Zoobesuch. Neben ihr stand eine Mutter, die ihrem Kind erklärte:

„Der Tapir klettert abends ins Storchennest, um dort zu schlafen.“

Wie soll man damit umgehen – korrigieren oder schweigen?

Daneben stand eine andere Frau – nennen wir sie Clara. Clara wollte eingreifen, ohne jemanden bloßzustellen.

Claras 5 Schritte im Zoo

1️⃣ Nicht korrigieren: „Oh, das hab ich ja noch nie gehört – das klingt originell!“

2️⃣ Nicht spiegeln: (freundlich) „Das ist ja ein spannendes Bild, Tapire auf Ästen – ich seh’s direkt vor mir.“

3️⃣ Interesse zeigen: „Wie schön, dass ihr euch so viele Tiere anschaut! Tapire sind ja wirklich besonders.“

4️⃣ Ruhig zurück zur Realität führen: „Ich glaub, Tapire mögen’s lieber unten, wo’s kühl ist – aber das Bild ist wirklich nett. Vielleicht träumt der Tapir im Nest ja nur?“

5️⃣ Für Umstehende Haltung zeigen: „Wie schön, wenn man so fantasievoll über Tiere spricht – und gleichzeitig Neues lernt.“

Clara spricht nicht gegen die Mutter, sondern für das Klima. Sie zeigt, dass man Dinge richtigstellen kann, ohne jemanden klein zu machen. Dass Wahrheit und Würde sich nicht ausschliessen – sondern ergänzen.Abgedeckte Fälle + Start-/Endpunkte (Belege)

Anzahl der Länder mit Populisten in der Regierung seit 2020:

Take Away

Leadership zeigt sich nicht im Rechthaben (auch wenn es sich gut anfühlen mag) – sondern im ruhigen Umgang mit Irrtümern.

Am Ende haben wir sogar ChatGPT überredet, uns die Geschichte zu glauben. Das Ergebnis im Foto anbei.

Ich wünsche euch eine erfolgreiche Woche – und vielleicht den klaren Blick auf den nächsten Tapir im Baum.

🩵 Herzliche Grüsse, Alexis

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